Flora und Fauna der Hohen Tatra

Die grüne Welt der Tatra

Neben dem Klima ist es vor allem der Boden, der Vorkommen, Verbreitung und Aussehen der Vegetation in den verschiedenen Teilen der Tatra beeinflusst. Auffallende Unterschiede gibt es vor allem zwischen den Pflanzenbeständen der saueren Böden, die in der Hohen Tatra auf einer Granitunterlage zu finden sind, und denen der basigen Böden über dem Kalkgestein der Belianske Tatry. Das Klima setzt der Verbreitung einzelner Pflanzenarten Grenzen in vertikaler Richtung, die Bodenbeschaffenheit innerhalb eines räumlichen Umkreises.

In den Wäldern der Tatra ist die artenmäßige Zusammensetzung der Baumbestände durch eine gewinnsüchtige kapitalistische Waldbewirtschaftung beeinträchtigt worden. Die widerstandsfähigen ansehnlichen Mischwälder wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch umfangreiche Monokulturen von Fichten ersetzt, die relativ schnell heranwachsen und somit innerhalb kürzerer Zeitabstände materiellen Gewinn erbringen. Indem die Waldbesitzer billigstes Samenmaterial ausländischer Herkunft aufkauften, trugen sie in sträflicher Weise dazu bei, dass der Pflanzenbestand der Tatra völlig verkam. Zu den dringlichsten Aufgaben der Verwaltung des Tatra-Nationalparks gehören daher heute die Wiederherstellung der Waldbestände und ihre allmähliche Rückführung in einen Zustand, wie er am besten der natürlichen Zusammensetzung der Gehölze innerhalb der gegebenen Klima- und Standortbedingungen entspricht. In den unteren Teilen des Waldes herrschen deutlich sichtbar Fichtenarten und Kiefern vor, weiter oben wachsen Birken, Weide und Eschen, während man in den Belianske Tatry wiederum Tanne Buchen und Ahornbäume vorfindet. In den höchsten Lagen der Montanstufe stellen die eleganten Formen zählebiger Zirbelkiefern eine besondere Zierde dar. Nicht selten dringen diese bis hoch hinauf in den Bereich der Zwergkiefern vor, oder man findet sie zwischen dem Felsgestein der subalpinen Stufe. Der Bodenbewuchs besteht vor allem aus Preisel- und Heidelbeeren sowie Moosen. Ebenso gibt es hier zahlreiche Farnarten. Himbeersträucher überwuchern die Kahlschläge. Mit zunehmender Höhe wird der Wald lichter, die Bäume haben einen nur noch kümmerlichen Wuchs; Form und Wachstum sind durch den dort oben herrschenden Sturm, durch Frostschäden, Schnee- und Gesteinslawinen beeinträchtigt. Im Frühjahr sind Krokusse und Primeln Dominanten der Flora und im Sommer Habichtskraut und Hahnenfuß. Die Südhänge der Tatra zieren Gebirgsnelken, Waldhyazinthen und Knabenkraut.

Auf der subalpinen Stufe sind buschartige Zwergkiefern vorherrschend, die sich in einer Höhe von etwa 1.800 m nach und nach in kleine Gruppen auflösen, bis sie in den steilen Felsen der alpin Stufe gänzlich verschwinden. Hier und da finden sich verkrüppelte Birken, Weiden und Eschen. In Bodennähe wachsen auch hier Preisel- und Heidelbeeren. Große Flächen sind mit alpinem Farn bewachsen. Ausgezeichnet gedeihen hier Moose und Flechten. Was die Flora betrifft, so kommen hier Arten der montanen und alpinen Stufe vermischt vor. Besonders malerisch sehen die in großen Trauben herabhängenden roten sauren Früchte der Karpaten-Johannisbeere aus, die hier auf den Felsen wächst. Selbst ein hochgewachsener Bergwanderer wird von den stolzen, zwei Meter hohen Ranken der Gebirgsrose, der sagenumwobenen „Rose ohne Dornen", mit ihren karmesinroten Blüten überragt. Bis zu einer Höhe von 2.000 m finden wir die dicht gewebten Teppiche des Wachholders.

Unter den rauen klimatischen Bedingungen der alpinen Stufe wachsen auf kargem Erdreich verschiedene Gräser, die kleinen bodennahen Sträucher der stumpfblättrigen Zwergweide und der Krautweide, zahlreiche Flechtenarten und Hochgebirgspflanzen, die ihrem Bau nach so beschaffen sind, dass sie lange Zeit hindurch (im Durchschnitt 236 Tage im Jahr) unter hohem Schnee existieren können. Trotz dieser natürlichen Auslese weisen die Almen und Bergwiesen eine schwelgerische Buntheit und Farbenfülle auf, und dies besonders auf den Kalkböden der Belianske Tatry. Hier sind weite Flächen mit dreispaltigen Binsen und zweizeiligem Kopfgras bewachsen. Im kristallinen Teil der alpinen Stufe stellt die alpine Küchenschelle eine besondere Schönheit dar. Ihre weißen Blüten und die leuchtend purpurrot behaarten Stengel heben sich malerisch gegen dunkle Felswände im Hintergrund ab. Auf dem Kalksteingeröll hochgelegener Talmulden fesselt der interessante Steinbrech unsere Aufmerksamkeit.

Aber auch selbst die höchsten Gipfel der Tatra sind nicht ohne Pflanzenwuchs. Für diesen sind hier vereinzelt vorkommende, und nicht zusammenhängende Grasflächen zwischen Felsblöcken charakteristisch sowie verschiedene Gefäßpflanzenarten, die auf dem nährstoffreichen Mylonitgestein des verwitterten Granits wachsen. In der gesamten Tatra gibt es über 1.300 Arten von Gefäßpflanzen, genau ein Zehntel davon findet man auch noch in einer Höhe von 2.300 m. Auf den höchsten Gipfeln der Hohen Tatra, oberhalb von 2.600 m über NN wachsen immer noch 45 Arten. Das Stengellose Leimkraut, der Kälte-Enzian, Gletscherhahnenfuß, gewisse Arten von Steinbrech und eine Reihe weiterer witterungsharter Pflanzen gedeihen in solchen Höhenlagen am besten. Auf Granit und Quarzgestein fallen die hellgrünen Flecken der grünen Flechte ins Auge.

Jede Pflanzenart hat an den Hängen der Tatra lediglich einen vertikal begrenzten Verbreitungsbereich. Nur das unscheinbare Alpenrispengras findet man überall, in den Lagen am Fuß des Gebirges ebenso wie in einer Höhe von 2.650 m über NN. Aus botanischer Sicht sind die Pflanzen, die unter den Wachstumsbedingungen der Tatra oder zumindest der Westkarpaten eigenständige Erscheinungsformen gebildet haben, am bemerkenswertesten. Ingesamt gibt es davon etwa 25 Arten, und wir bezeichnen sie als Endemiten. Die bekanntesten Endemiten der Tatra sind Tatra-Rittersporn, Traubensteinbrech, Tatra-Löffelkraut, Tatra-Schwingel und Wahlenbergs Schotendotter, die der Karpaten der Kälte-Enzian, Karpaten-Steinbrech und Karpaten-Schwingel. Bemerkenswerte Exemplare sind jedoch auch die Relikte aus der Eiszeit, Pflanzen, die während der Eiszeit hier eingedrungen sind und sich dank der alpinen Bedingungen, die in der Tatra vorherrschen, an günstigen Stellen bis heute hier gehalten haben, wenn es auch zu einer einschneidenden Klimaveränderung auf dem europäischen Kontinent kam (u. a. Föhrenkiefern, verschiedene kriechende Zwergweiden, Zwergwacholder, Silberwurz und das sehr seltene Nordische Moosglöckchen). All diese Kälte liebenden Arten besitzen Verwandte in den höheren Alpenregionen oder sogar irgendwo im Norden in der Nähe des Polarkreises, wo sich ihre eigentliche Heimat befindet.

Die Tierwelt der Tatra

Die Gliederung in Höhenstufen ist auch für die Fauna der Tatra kennzeichnend, wenn auch nicht in einer so ausgeprägten Weise wie bei der Pflanzenwelt.
Im Grenzbereich zwischen Ackerland und Wald haben Wildschweine, Hasen und Füchse ihre Hauptstandorte. Reichlich vertreten sind Rehwild und Hirsche, die während der heißen Zeit im Sommer bis über den Waldgürtel empor klettern. Ende September oder Anfang Oktober kann man ihre Brunftschreie sogar bis in die Hotelzimmer vernehmen. Rehe und Hirsche gewöhnen sich außerordentlich gut an den Menschen, und leicht kann man sie auch in der Nähe von Ortschaften und verkehrsreichen Straßen beobachten.

Dafür sind vier andere Wildtiere - Bär, Luchs, Wolf und Wildkatze - immer scheu und wachsam, und kaum jemand kann sich rühmen, sie in freier Wildbahn zu Gesicht bekommen zu haben. Unter den kleineren Raubtieren sind es Marder, Iltis und Wiesel. die für Leben im Wald sorgen; selten kommt der Dachs vor, in den Parks der klimatischen Kurzentren halten sich gern Eichhörnchen auf. In den oberen Regionen der Montanstufe oder auch oberhalb dieser haben sich Hermeline angesiedelt. Die Mäuse sind durch verschiedene Arten vertreten, vor allem durch die Wühlmaus und Rötelmaus; als Insektenvertilger kommen Maulwürfe, Igel und Spitzmäuse vor. In den Nadelwäldern leben Auerhahn, Hasel- und Birkhuhn als typische Vögel, die hier seit alters her beheimatet sind. In den Kronen hoher Bäume haben Greifvögel wie Habichte, Mäusebussarde und Schreiadler ihre Nester. Außerdem findet man Nachtvögel in der Tatra: verschiedene Eulenarten und Käuzchen. An entlegenen Stellen, insbesondere auf Felsen, nistet der bereits selten gewordene Uhu. Wenn man durch den Wald geht, hört man den Gesang des Zaunkönigs, des Waldlaubsängers und der Bachstelze. In Tannenbüschen sind der Fichtenkreuzschnabel und der Dompfaff, der im Winter in kleinen Schwärmen am Fuß der Berge vorkommt, häufig anzutreffende Bewohner. Von den Drosselarten kommt die mitteleuropäische Ringdrossel, ein Relikt aus der Eiszeit, in den Regionen bis zur oberen Waldgrenze vor. Ebenso haben der mitteleuropäische Dreizehenspecht und der Tannenhäher, der gerne Kiefernsamen frisst und zu deren Verbreitung beiträgt, ihren Ursprung in der Eiszeit. Im Winter lassen sich Bussarde, Schneehühner und Haubenlerchen, aus dem Norden kommend, hier nieder. Die nordeuropäische Wacholderdrossel, die früher nur im Winter hierher kam, wurde in den letzten Jahren zu einem ständigen Bewohner der Montanstufe. Im Fluss Poprad kommen Barben, Döbel und Nasen vor, in den kleineren Zuflüssen Gründlinge und Gruppen und in höheren Lagen Äschen und Forellen. In von der Sonne beschienenen Kahlschlägen und auf Felsen, die von der Sonne erwärmt sind, sollte man stets achtsam um sich schauen, es könnte sich dort eine Kreuzotter befinden, die einzige in der Slowakei vorkommende Giftschlange. Ein gefährlicher Schädling, der umgestürzte oder abgebrochene Tannen befällt, ist der Borkenkäfer, der über die vom Windbruch betroffenen Bäume hinaus auch in den gesunden Wald eindringt, wenn man das schadhafte Holz nicht schnell bearbeitet und aus dem Forst fortschafft.

Die meisten Lebewesen der Waldstufe, vor allem die Vögel dieses Bereichs, leben auch auf der subalpinen Stufe. Umgekehrt steigen auch einige Tierarten der alpinen Stufe hierher hinab. Zur Zeit, da grob gerechnet dreimal so viele Gämsen in der Hohen Tatra lebten wie heute und da die Almenbewirtschaftung diese noch nicht dazu zwang, sich ruhigere Zufluchtstätten zu suchen, war auch die subalpine Stufe ihr natürlicher Lebensbereich, den sie heute nur dann aufsuchen, wenn in den höheren Lagen ungünstige Witterungsverhältnisse und bedrohlicher Nahrungsmangel herrschen. Im Sommer bietet das Knieholz dem Hirsch, der zu den typischen Tieren der Montanstufe gehört, einen willkommenen Lagerplatz. Die kleinen Säugetiere, die hier in großer Zahl vorkommen, locken auch Füchse hierher. Das Interesse der Bären an diesem Lebensraum ist zurückgegangen, seit hier keine Schafe mehr weiden. Kleine Feuchtigkeit liebende Lebewesen, wie Asseln, Tausendfüßler, Würmer, Spinnen, Milben und Insekten, finden hier ideale Lebensbedingungen. In den ersten Frühlingstagen ertönt auf höher gelegenen Almwiesen der Balzruf des Birkhahns, hier nisten Waldschnepfen und Ringdrosseln; Baumpieper, Birkenzeisig und Heckenbraunelle verraten sich durch ihren Gesang. An steilen Felsen flattert und klettert der farbig gefiederte Mauerläufer umher.

Die alpine Stufe ist die Domäne zweier bedeutender Überbleibsel aus der Eiszeit: der Gämse und des Murmeltieres. Die in der Tatra lebenden Gamspopulationen haben sich unter den lokalen Bedingungen zu einer besonderen geographischen Subart entwickelt, die mit ihrem wissenschaftlichen Namen als Rupicapra rupicapra tatrica (Blahout 1971) bezeichnet wird und einige Merkmale aufweist, die von denen ihrer nächsten europäischen Artgenossen abweichen. Bergwanderer, die sich diszipliniert und leise verhalten, können sich gelegentlich am Anblick von Gämsen und an ihren akrobatischen Sprüngen in steilen Felswänden erfreuen. Wie die Gämsen so hat sich auch das Murmeltier in der Tatra zu einer besonderen Art, dem Marmota marmota latirostris (Kratochvíl 1961) entwickelt. Dieser Pflanzenfresser, der im Sommer gerne spielt und aktiv ist, verbringt die langen Wintermonate gemeinsam mit allen Familienmitgliedern in seinem unterirdischen Versteck im tiefen Schlaf. Bis in die alpine Stufe dringen auch Hirsche, Bären und Füchse vor, die durch die vielen relativ leicht zu erbeutenden kleinen Nagetiere, wie Wühlmäuse und Murmeltiere, angelockt werden. Sie sind jedoch auch für junge Gämsen, die der Obhut ihrer Mutter entwischt sind, eine ernsthafte Gefahr. In unzugänglichen Felswänden hat der selten vorkommende Steinadler seinen Horst. In der Nähe von Berghütten, aber auch beispielsweise bei den Gebäuden auf dem Gipfel des Lomnický štít halten sich in jüngster Zeit gern schwarze Krähen auf. Falken und Mauersegler gehören zu den in der alpinen Stufe üblichen Vogelarten. Regelmäßig treffen wir hier auch Baumpieper und Heckenbraunellen an. Als seltener zeitweiliger Gast kommt hier auch das Schneehuhn vor.

In den Bergseen leben dank des reichlichen Sauerstoffgehalts zahlreiche Kleinlebewesen. Der Ruderfußkrebs ist ein Überbleibsel aus der Eiszeit. Eine Unterart von diesem, der Bryocamptus mrazeki (Minkiewicz), kommt nur in der Hohen Tatra vor. Unter den Strudelwürmern ist das Macrostomum catarractae (Gieysztor) eine nur in der Tatra anzutreffende Endemitenart. Großes Aufsehen in Kreisen der Wissenschaft rief die Entdeckung einer kleinen, im Wasser lebenden Krebsart, des Kiemenfußkrebses (Branchinecta paludosa), hervor, die man in zwei Tatraseen fand. Einige Bergseen sind von Forellen und künstlich eingesetzten amerikanischen Bachseiblingen bevölkert.

Wie die gesamte Vegetation, so ist auch die Fauna seit der Einrichtung des Tatra-Nationalparks im Jahre 1949 ausnahmslos geschützt. Nach einer 1984 erfolgten Zählung leben 501 Hirsche, 519 Rehe, 53 Wildschweine, 25 Luchse, 20 Bären, 12 Wölfe, 597 Gämsen, etwa 700 Murmeltiere, 120 Auerhähne, 40 Birkhühner, 14 Schreiadler und 10 Steinadler auf dem Gebiet des Parks.