Geografie und Geologie der Hohen Tatra

Geografie

Die Hohe Tatra stellt den höchsten und bedeutendsten Teil der Mittelkarpaten dar. Sie ist das einzige slowakische Gebirgsmassiv mit alpinem Charakter und erstreckt sich im Norden der Slowakei an der Grenze zu Polen, Dreiviertel ihrer Fläche liegt auf dabei auf slowakischen Gebiet.

Der Hauptkamm des Gebirgsmassivs hat die Form eines mächtigen, sich nach Süden hin wölbenden Bogens, mit einer Gesamtlänge von 26 km. Der Bergsattel L'aliové sedlo (1.952 m) und der Svinica (2.300 m) sind die westlichen Startpunkte. Im Osten endet die Hohe Tatra mit dem Jahňaci štit (2.229 m), der sich zum Bergsattel Kopské sedlo (1.749 m) hin absenkt. Die Gipfel des Hauptkammes sind durchweg 2.400 - 2.500 m hoch, unter ihnen ragen der L'adový štit (2.627 m) und die Vysoká (2.560 m) am höchsten gen Himmel. Vom Hauptkamm aus zweigen nach Norden und Süden hin Seitenkämme ab, die den seitlichen Abschluss der reich gegliederten, meist stufenförmig ansteigenden Täler bilden, die einstige Gletscher hier eingegraben haben. Im Norden sind die Seitenkämme, und damit auch die Täler, länger, während sie zum Süden hin höher sind. Hier befinden sich die höchsten Gipfel der Tatra - der Gerlachovský štit (Gerlach Spitze 2.655 m) und der Lomnický štit (Lomnitz Spitze 2.632 m).

Nicht allein wegen ihrer Höhe, sondern auch mit ihren kühnen Formen und der Vielfalt ihrer Vegetationsstufen stellt die Hohe Tatra ein Kleinod unter den Gebirgen dar und ist zugleich der dominierende Faktor einer weiten Region.

Verglichen mit anderen Hochgebirgen der Welt, besitzt die Hohe Tatra Miniaturformat, da ihre Gesamtfläche lediglich 341 km2 umfaßt, von denen sich 260 km2 auf dem Gebiet der Slowakei erstrecken. Ihrem Charakter nach ist sie jedoch ein typisches und großartiges Hochgebirge. Sie bildet nicht nur den Hauptteil der Karpaten, sondern ist zugleich die höchste Erhebung zwischen den Alpen im Westen sowie Ural und Kaukasus im Osten. Nahezu 600 Felshöhen, darunter 300 Gipfel, die 16 weitverzweigte Tallandschaften mit Dutzenden einzelner Mulden und Nebentäler sowie grob gerechnet 160 romantischen Seen darin umschließen, ragen aus ihr empor.

Das größte Tal ist die 14 km lange Tichá dolina. Platz eins unter den Bergseen der slowakischen Tatra nimmt der See Vel'ké Hincovo pleso mit einer Fläche von 20,08 ha, einer Tiefe von 53,2 m und 4.138.700 m3 Wassermenge ein. Das vom südlichsten Zipfel der Hohen Tatra anfallende Wasser wird von der Waag (Váh) aufgenommen und fließt dann mit der Donau ins Schwarze Meer, die übrigen Gebirgsbäche sind mit dem Fluß Poprad und über ihn mit Dunajec und Weichsel verbunden und fliesen so der Ostsee zu.

Der steile Höhenanstieg des Bergmassivs über den Hängen des Poprad und der Waag bewirkt mit seinen unterschiedlichen klimatischen Bedingungen, die sich in den verschiedenen vertikalen Zonen vom Fuß des Gebirges bis zu seinen höchsten Gipfeln ergeben, dass man hier auf einer kleinen Fläche sehr häufig sich ändernden Naturverhältnissen begegnet. Die Palette reicht dabei von Steppenkulturen bis zu arktischen Phänomenen. Diese geradezu museale Konzentration landschaftlicher Reichtümer auf einer sehr geringen, jedoch bei einer großen Besucherzahl um so leichter zerstörbaren Fläche, war der entscheidende Grund dafür, dass das gesamte Gebiet der Hohen Tatra und der Belianske Tatry zum Tatra-Nationalpark (abgekürzt TANAP) erklärt wurde.

Geologie

Die Hohe Tatra ist ein Gebirgsmassiv aus dem Paläozoikum. Ältester Bestandteil im Aufbau ihres kristallinen Kerns ist Schiefer, der in Form von Gesteinsadern vereinzelt im Granit erscheint, und zwar insbesondere am Nordrand der Hohen Tatra und in der Westtatra. Der kristalline Schiefer ist vor allem durch Gneis vertreten. Der Gebirgskem besteht zum wesentlichen Teil jedoch aus granitartigem Gestein. Den nicht zum Kern gehörenden Teil bilden Elemente mit einer gemischten Zusammensetzung, hauptsächlich ist dies Quarz, Kalkstein und Dolomit. Die unterschiedliche Festigkeit all dieser Bestandteile trug zum Formenreichtum der Tatra mit bei.

Im frühen Tertiär gab es hier eine flache und nur wenig gegliederte Hügellandschaft. Am Ende des Tertiärs erhob sich diese 1.000 - 1.500 m über das sie umgebende Terrain hinaus. Dieser Prozeß der Anhebung setzte sich im Quartär fort, und gleichzeitig begann eine intensive Erosions- und Abtragungstätigkeit, deren Ergebnis steilwandige Täler und ein verzweigtes Gebirgsmassiv mit Seitenkämmen und einem in Ost-West-Richtung verlaufenden Hauptkamm waren.

Bis zum Jungtertiär hob sich der Gebirgskamm der Tatra periodisch und sank wieder unter den Meeresspiegel ab; seit dieser Zeit - seit etwa einer Million Jahre - ist sie jedoch bereits ein kontinentales Hochgebirge. Als sie sich aus dem Meer erhob, war sie gerundeter und höher, als sie heute ist. Zu der fortschreitenden Erosion durch Wasser und Wind und zum Prozeß der Abtragung kam jedoch noch ein Faktor hinzu, der in einem entscheidenden Maße auf das Relief der Tatra einwirkte. Dies war die Eiszeit des Quartärs. Eine halbe Million Jahre hindurch wechselten Eiszeiten und wärmere interglaziale Perioden einander ab. Während der Eiszeiten verlief die Grenze des ewigen Schnees im Westen 600 - 700 m und im Osten bis zu 1.000 m unterhalb der Hauptgrate der Tatra. So entstanden hier bis zu 280 m dicke Eisgletscher, unter denen die der Täler Bielovodská (14 km), Kôprová (12,5 km) und Mengusovská dolina (10,7 km) die größten waren. Die letzte Eiszeit ging vor etwa zehntausend Jahren zu Ende. Mit ihrer aggressiven Tätigkeit des Grabens und Abschleifens schufen die Gletscher hier tiefe Stufentäler und Mulden, zerklüftete Grate und Gipfel mit tief eingegrabenen Schluchten und Bergsätteln und häuften in den Tälern Wälle lockeren Gerölls an, hinter denen noch heute Gletscherseen schimmern.

Die Höhe der Tatra und ihr steiles Ansteigen bewirken, dass sie ständig dem rauhen Klima einer sog. periglazialen Höhenstufe ausgesetzt ist, und periglaziale Prozesse wirken weiterhin zerstörend und umgestaltend auf ihr glaziales Relief ein. Die Folgen dieser Prozesse sind Eisschründe, mächtige Gesteinsmeere mit verwittertem Geröll, Bodenterrassen und vor allem Geröll- und Felsaufschüttungen, mit denen die Seitenwände der einstigen Gletschertäler und Mulden bedeckt sind. Oberhalb des Karbongebirges entfaltet sich der eigenartige Typus eines Hochgebirgskarsts, dessen schönste Erscheinung die auch für Touristen zugängliche großräumige Höhle Belianska jaskyňa ist.