Klima und Vegetationsstufen der Hohen Tatra

Das Klima in der Tatra

Durch die geographische Lage der Hohen Tatra ist der kontinentale Charakter ihres Klimas bedingt. Sie liegt zwar vom Atlantik und dem Schwarzen Meer, von der Ostsee und Adria in etwa gleich weit entfernt, doch ist eine nordwestliche Luftströmung deutlich vorherrschend, denn aus den übrigen Richtungen wird die Meeresluft durch andere Hochgebirge aufgehalten, die ihre Feuchtigkeit aufnehmen und von der Tatra fernhalten.

Der Höhenanstieg der Tatra und ihre markante Terraingliederung bewirken wesentliche Unterschiede, was Dauer und Vorkommen von Niederschlägen, Bewölkung, Sonneneinstrahlung und Lufttemperatur betrifft, so dass in den verschiedenen Höhen- und Hanglagen innerhalb dieses räumlich nicht allzu großen Territoriums große klimatische Gegensätze in Erscheinung treten. Somit ist die kontinentale Prägung des Tatra-Klimas stark von typischen Merkmalen eines Hochgebirgsklimas beeinflusst. Die meiste Sonneneinstrahlung erfolgt in den höheren Gebirgslagen.

Im Winter sind Warmluftinversionen typisch, wobei kalte Luft sehr häufig verbunden mit Nebel in die Täler einströmt, während die Temperatur nach oben zu ansteigt. In einem solchen Fall kann es oben auf den Bergen etwa 18 °C wärmer sein als in den Tälern in ihrer Nähe, und dies bei trockenen Luftverhältnissen. Im Januar weist der Berggipfel Lomnický štit (Lomnitz Spitze 2.632 m) im Durchschnitt 137 Stunden Sonneneinstrahlung auf, während Starý Smokovec (1.010 m), ein klimatisches Kurzentrum in der Hohen Tatra, und Poprad (672 m), der wichtigste Ausgangspunkt am Fuße der Hohen Tatra, nur 95 Stunden lang Sonne haben.

Im Sommer herrschen aufsteigende Luftströmungen vor. Die unteren Schichten sind wärmer, und die leichtere warme Luft steigt zu den Berggipfeln auf, wo sie sich abkühlt und Haufenwolken bildet, die häufig die Gipfel umhüllen, obwohl an den tiefer gelegenen Hängen die Sonne scheint. Der wärmste Monat ist der Juli. Dann hat der Gipfel des Lomnický štit eine Sonneneinstrahlung von durchschnittlich 199 Stunden, in Stary Smokovec sind es jedoch 220 und in Poprad 257 Stunden. Die monatliche Durchschnittstemperatur beträgt im selben Monat auf dem Lomnický štit 4,2 °C, in Starý Smokovec 14,4 °C und in Poprad 16,2 °C.

Der Winter in der Tatra dauert klimatisch gesehen, nicht dem Kalender nach, ungefähr ein halbes Jahr. Kältester Monat ist der Januar. Die klarste Sicht herrscht im September in den unteren Lagen und im Oktober in den höheren. Zur Winterszeit ist es häufiger vormittags bewölkt, im Sommer nachmittags. Die meiste Sonne erhalten die Gipfel und die zum Süden hin gelegenen Regionen der Touristen- und Erholungszentren. Die Sonneneinstrahlung schwächt sich beim Eindringen in die relativ dichte, mit Wasserdunst angereicherte, trübe bodennahe Atmosphäre ab; ihre Intensität wird also mit steigender Höhe stärker und begünstigt die Entfaltung einer Hochgebirgsvegetation.

Die windgeschützten Südhänge und das am Fuß der Tatra gelegene Gebiet sind relativ trocken; die jährlichen Niederschläge erreichen dort nur selten eine Menge von 1.000 mm. An der Nordseite sind die Niederschläge im Großen und Ganzen von doppelter Ergiebigkeit. Dieser Kontrast fällt insbesondere im Winter auf. wenn im südlichen Vorland der Hohen Tatra weniger Schnee liegt als in seiner Umgebung. Die auf mittlerer Höhe gelegenen Teile der Tatra bieten jedoch ideale Skimöglichkeiten.

Im Winter, wenn es relativ große Unterschiede zwischen dem über dem Festland herrschenden Luftdruck und dem der Küstenregionen gibt. ist die Hohe Tatra oft starken Windströmungen ausgesetzt. Dabei sind Winde aus westlicher und nordwestlicher Richtung vorherrschend. Einbrüche arktischer Luftmassen werden von heftigen Schneestürmen begleitet.

Oft kommt es zu einem plötzlichen Wettersturz. Nichts wechselt schneller in diesem Gebirge als Sonnenschein mit Bewölkung, Hitze mit Kälte, eine ruhige Wetterlage mit Gewitterschauern, Regen mit Schnee, Windstille mit Sturm. Damit muss man im Sommer wie im Winter bei Ausflügen in die Hohe Tatra rechnen. Man sollte sich selbst bei kürzeren, beispielsweise nur halbtägigen Bergtouren entsprechend ausrüsten.

Die Vegetationsstufen der Tatra

Die Höhe über dem Meeresspiegel und das hierdurch bewirkte Mikroklima sind richtungweisend für Vorkommen, Charakter und Art des Pflanzen- und Tierlebens. Wenn die Hohe Tatra nicht gerade von einer Warmluftinversion betroffen ist, nimmt hier die Temperatur - insbesondere an den Nordhängen und in schattigen Talbecken - pro Meter Höhe im selben Maße ab, wie sie pro Entfernungskilometer vom Äquator zu den Polen hin absinkt. Aus der Tallage um Poprad gesehen, liegt das auf zweitausend Meter ansteigende Gebirgsmassiv der Hohen Tatra vor unserem Blick und damit ein Bild der Vegetationsbedingungen, wie sie vom Fuß der Tatra bis in den Norden Skandinaviens hinauf bestehen. Gerade hierin liegen die Ursachen der landschaftlichen Vielfalt dieses kleinen Hochgebirges und das eigentliche Geheimnis seiner Naturschätze begründet.

Beim Blick von unten auf das Gebirge nehmen wir die Einzelheiten nicht wahr, diese vermitteln uns jedoch ein deutliches Bild von den stufenartig gegliederten Vegetationszonen. Die obere Grenze des Ackerlandes, der Bergwiesen und Weiden sowie des besiedelten Gebietes liegt bei einer Höhe von etwa 700 m über NN. Es ist eine künstlich geschaffene Grenze, die jedoch zugleich die äußerste Linie markiert, bis zu der eine landwirtschaftliche Produktion möglich ist.

Oberhalb des bebauten Landes liegt der Bereich des Waldes, der sich bis zu einer Höhe von 1.550 - 1.600 m über NN hinaufzieht, und zwar nicht überall gleichmäßig. Stellenweise ist der Pflanzenwuchs durch ungünstige mikroklimatische Verhältnisse, durch die Lage, ein schwieriges Gelände und ungeeigneten Boden eingeschränkt. Gelegentlich verdrängt ihn die Erosion durch Wasser, Schnee- oder Gesteinslawinen. Sehr oft hat auch der Mensch unüberlegte Eingriffe unternommen und so mittels Axt und Feuer das karge Weideland für Rinder und Schafe weiter ausgedehnt. Den Waldstreifen bezeichnen wir als die montane Stufe.

Die nächstfolgende Vegetationsstufe, die bis zur Höhe von 1.850 m über NN, an der Nordseite nur bis 1.800 m reicht, ist die subalpine. Es ist die Region flächendeckender Knieholzbestände, die man - außer im Winter, wenn der Schnee sie bedeckt, - von den unteren Tallagen aus erkennen kann. Wald und Knieholz gehen natürlich allmählich ineinander über und durchdringen sich gegenseitig. Einzelne zählebige Bäume, vor allem Zirbelkiefern, aber auch Fichtenarten dringen hoch über die Klimagrenze hinaus vor, und umgekehrt greifen einzelne Exemplare, aber auch ganze Gebüsche des expandierenden Knieholzes in die dünner bewachsenen Randgebiete des Fichtenhochwaldes über.

Beim Anblick der Hohen Tatra beeindrucken uns die oberhalb der Baumgrenze gelegenen höchsten Teile des Gebirges am stärksten: die aus den Bergmulden emporragenden riesigen Felsplatten mit tief abfallenden Steilwänden, riesigen Säulen und tiefen Rinnen, gezackte Grate mit bizarren Türmchen und engen Bergspalten, stets im Schatten liegende, mit ewigem Schnee angefüllte Talmulden, vereiste Gebirgsbäche mit rauschenden Wasserfällen am Taleingang und in würdevollem stoischen Schweigen daliegende Seen. Das ist es eigentlich, was die Hohe Tatra zu einem Hochgebirge macht. Die Grenzen zwischen den beiden Vegetationsstufen dieses Teils der Tatra lassen sich von ihrem Fuß aus gesehen nur schwer ausmachen. Die alpine Vegetationsstufe der Almen (1.800 - 2.300 m) ist durch Bergwiesen mit niedrig wachsendem Gestrüpp und einem Mosaik von Felsgeröll repräsentiert. Die höchste Stufe - die subnivale Region - das sind die Felsgebilde der Berggrate und Gipfel mit ihrer nur sporadischen, aus Gefäßpflanzen bestehenden Vegetation sowie Inseln asketischer Flechtenarten und nordischer Moose.

Auf diese Weise gelangt der Bergwanderer vom „mitteleuropäischen" Vorland der Hohen Tatra innerhalb nur weniger Stunden zu den „skandinavischen" Gegenden ihrer höchsten Gipfel, deren Vegetation in der Horizontale erst 2.000 km nördlich von hier ihr Ebenbild hat.